Lucas
Lucas - Unfall in Bulgarien
Es sollten die schönsten Wochen des Jahres werden. Weil wir das Hotel Vita Park in Albena / Bulgarien bereits aus Vorjahren kannten, hatten wir uns entschlossen erstmals seit Jahren wieder einen drei-wöchigen Urlaub zu verbringen. Die ersten 16 Tage verliefen unspektakulär und erholsam; doch was dann am 24.07.2005 passierte, nimmt mir noch heute fast den Atem.
Mein Sohn Lucas (10 Jahre) war mit den Kindern unserer Freunde wieder einmal im Pool des angeschlossenen Schwesterhotels um die dortigen Rutschen zu nutzen.
Dann passierte es. Unser Lucas rutschte als erster und tauchte ins Wasser ein. Beim Versuch wieder aufzutauchen, geriet er in den Sog einer Umwälzpumpe. Diese befand sich im Auslauf der Rutschen ca. 15 cm über dem Beckenboden. Die angebrachte Schutzabdeckung des Rohres war fast vollständig zerstört. Er geriet mit dem linken Bein in das Ansaugrohr und steckte mit dem Knie voran mit Ober- und Unterschenkel bis zum Knöchel bzw. bis zum Po im Rohr fest. Bei einer Wassertiefe von 1,35 m hatte er keine Chance sich über die Wasseroberfläche zu ziehen.
Glücklicherweise bemerkten die ihn begleitenden Kinder sofort seine Notlage und schätzten sie auch richtig ein. Sie alarmierten umgehend Hilfe von Bademeistern und anderen Gästen.
Der Sog der Pumpe war jedoch derart stark, dass es vier erwachsenen Menschen nicht gelang, ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien. Ein recht junger Bademeister versuchte daher, Lucas unter Wasser zu beatmen. Dennoch begann er allmählich zu ertrinken!
Erst als einer der Bademeister die Pumpenanlage ausschaltete, bestand die Möglichkeit, sein Bein aus dem Rohr zu ziehen und ihn zu bergen.
Lucas war inzwischen bewusstlos und ohne Spontanatmung.
Eine sofort eingeleitete Reanimation konnte Lucas jedoch ins Leben zurückholen. Dankbar weinend saß ich vor meinem Sohn und freute mich über jedes Röcheln.
Nach Erstversorgung in einer Polyklinik (kleine Arztpraxis) wurde Lucas ins 45 km entfernt gelegene Dobric transportiert, wo er 48 Stunden unter intensivmedizinischer Betreuung stand.
Bei Ertrinkungsunfällen besteht bis 48 Stunden nach dem Unfall noch die Gefahr eines sekundären Ertrinkungstodes; das heißt, bis zu 48 Stunden nach dem Unfall können die Vitalfunktionen noch versagen und der Tod eintreten.
Dieses Schicksal blieb Lucas jedoch Gott sei Dank erspart. Sein Zustand stabilisierte sich zusehens und wir konnten das Klinikum nach gut zwei Tagen wieder verlassen. Allerdings wurde sein Bein aufgrund des schweren Traumas des Knies mit einer Gipsschiene stillgelegt. Eine Gipsschiene deshalb, weil das Bein durch die Reste der Gitterabdeckung zahlreiche teils tiefe Schnittverletzungen erlitten hatte.
Inzwischen sind mehr als fünf Wochen seit dem Unfall vergangen. Lucas läuft wieder selbständig und hat sich weitestgehend von den körperlichen Unfallfolgen erholt. Seine Psyche hingegen bleibt weiter zu beobachten. Seit dem Unfall sucht er häufiger als sonst engeren körperlichen Kontakt. Er möchte am liebsten jede Nacht bei uns im Elternschlafzimmer bleiben. Tagsüber ist er teilweise ziemlich aufgedreht.
Das alles sind für mich als Vater Indizien dafür, dass er dieses schreckliche Erlebnis noch nicht verarbeitet hat.
Dem Reiseveranstalter (1,2 fly) ist ein anwaltliches Schreiben mit der Schilderung der Ereignisse und mit der Bitte um Zusendung einer Haftungszusage unter Fristsetzung bis zum 19.08.05 zugegangen.
Ein Erstattungsanspruch besteht nach Aussagen von 1,2 fly nicht. Im übrigen tut es ihnen Leid, dass Zitat: „die Mandanten mit dem Urlaubsaufenthalt unzufrieden waren“. Gleichwohl wird mitgeteilt, dass Zitat: „nachempfunden werden kann, wie sehr der Unfall den Urlaub überschattet hat.“
Nichts desto Trotz weigert sich der Reiseveranstalter Verantwortung für die Schlamperei zu übernehmen.
Es ist unglaublich, was sich ein großer Reisekonzern in heutiger Zeit heraus nimmt.
Dies gilt nicht zuletzt für die mangelhafte Beratung hinsichtlich des Rückfluges. Ein Regionalreiseleiter hatte sich unserer bereits während des Krankenhausaufenthaltes angenommen und uns zugesichert, für den Rückflug einen Sitzplatz zu organisieren, der es Lucas möglich macht, sein Bein auszustrecken. Dies war wegen der Gipsschiene dringend erforderlich.
Tatsächlich musste er sich in eine ganz gewöhnliche Sitzreihe quetschen und den Flug halb sitzend, halb liegend überstehen.
Weiterhin weigerte sich die Fluggesellschaft zunächst Lucas generell mitzunehmen, weil eine ärztliche Flugtauglichkeitsbescheinigung nicht vorlag. Auch über diese Notwendigkeit hätte der Regionalreiseleiter aufklären müssen. Der Rückflug kam letztlich nur zustande, weil ich eine Verzichtserklärung über Schadenersatz im Zusammenhang mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes (mögliche Thrombose) aufgrund des Fluges, unterzeichnet hatte.
Wegen der Uneinsichtigkeit des Veranstalters bleibt als einziger Ausweg die Erhebung einer Klage. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Reiseveranstalter ihre Veranwortung für die Sicherheit ihrer Gäste erkennen und zukünftig gewissenhaft sicherstellen.
Ich weiß durchaus, dass nicht jeder, der Recht hat auch Recht bekommt. Aber ich glaube an die Gerechtigkeit und dafür lohnt es zu kämpfen.
Frank Lensig
Am 12.10.2005 hatten wir die Gelegenheit, Lucas´ Unfall bei Günter Jauch in seiner Sendung Stern tv zu schildern. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich unser Reiseveranstalter 1,2,FLY stets weigerlich gezeigt. Unmittelbar nach Ausstrahlung des Beitrages vor einem Millionenpublikum bekundete der Reiseveranstalter dann unerwartet doch noch Interesse, sich außergerichtlich zu einigen.
Inzwischen ist ein angemessenes Schmerzensgeld ausgehandelt und eine Feststellung getroffen worden, dass der Reiseveranstalter auch künftige materielle und immaterielle Schäden die auf dem Unfall in Bulgarien basieren, einzustehen hat.
Als bedauernswert anzusehen ist der Umstand, dass das Verhandlungsangebot des Reiseveranstalters erst nach Ausstrahlung des Filmbeitrages in der Sendung Stern tv eröffnet wurde.
So muss leider der Eindruck entstehen, dass die Einigung nur zustande kam um weitere negative Publicity zu vermeiden, die ein unter Umständen über Jahre dauernder Prozess vermutlich mit sich gebracht hätte.
Lucas ist immer noch nicht vollends genesen. Auch heute (30.01.2006) ist er noch immer in ärztlicher Behandlung mit seinem Bein. Er erhält immer noch Krankengymnastiken und Lymphdrainagen. Doch auch das wird hoffentlich bald ausgestanden sein.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal allen Menschen danken, die uns im letzen halben Jahr ihre Hilfe und Unterstützung in jeglicher Form angeboten haben.
Frank Lensig
und Familie